Hunger nach Berührung Teil 1

Kinder verstehen instinktiv, was Gesundheit und auch geistige Gesundheit bedeutet — bevor die Umwelt dieses Wissen durch Prägungen und Erfahrungen verzerrt hatte.Sie werden Zeugen voN Gewalt oder verängstigenden Szenen in TV, Zeitung und im eigenen Zuhause.

Es ist fast unmöglich, unbeeinträchtigt ein Kind groß zu ziehen. 

Bitte ver­ste­he mich nicht falsch: ich will damit nicht sagen, dass es keine glück­lichen, zufriede­nen Men­schen gibt. Nur, wenn man über­legen muss, ob man glück­lich ist, oder ob die Men­schen, die man ken­nt, glück­lich sind, …beste­ht die Wahrschein­lichkeit, dass man es nicht ist oder sie es nicht sind.

Wie hast du als Kind, die Berührun­gen emp­fun­den? Was war dir zu viel, zu wenig? Welche Erfahrun­gen verur­sacht­en, dass du dich zurück­ge­zo­gen hast?  Und welche, dass du dich geöffnet hast?

Ich schreibe, erzäh­le es dir deshalb, um dir mitzuteilen, dass Berührungs­man­gel nichts ist, von dem nur wenige betrof­fen sind.  Vielmehr ist es etwas, dass sich quer und tiefge­hend durch alle Kul­turen und Gesellschaften der Erde zieht.  Nur wenige indi­gene Völk­er haben noch den natür­lichen Zugang in ihrem Fam­i­lien­sys­tem, so dass liebevoller und gemein­schaftlich­er Umgang alltäglich ist.

Wir sind hil­f­los und unbe­holfen, in Hin­blick darauf wo, wie und wen wir wann berühren kön­nen und dür­fen.  Es ist egal, ob du seit Jahren in ein­er Beziehung bist oder nicht. Vielle­icht bist du auch in ein­er Beziehung, um berührt zu werden, …

Ich erinnere mich an eine Situation mit meinem Vater.

Immer wieder habe ich ihm gesagt, wie ich berührt werden möchte.

Er war so lieb und hat sich Gedanken gemacht, ver­suchte es umzuset­zen. Es war, als ich ger­ade vom Vipas­sana Retreat zurück­gekom­men bin und ein paar Wochen mit ihm zusam­menge­wohnt hat­te. Wir hat­ten ein kurzes Gespräch und bevor er ging, strich er mir unglaublich zart mit seinen groben, großen, von der Arbeit geprägten Hän­den über die Wange. Und ich spürte all die Liebe, die er in diese Berührung legte. Zu dem Zeit­punkt war er 87 und ich 32. Ich war inner­lich erschüt­tert und im Herz zutief­st berührt.

Wer fragt sich nicht gele­gentlich, ob es okay ist, den Arm um sein erwach­senes Kind zu leg­en oder sog­ar um einen Arbeit­skol­le­gen, eine Arbeit­skol­le­gin. Stell dir vor wie der Vor­standsvor­sitzende im Meet­ing auf­ste­ht zum Sales Man­ag­er geht, ihn umarmt und sagt: Hey die Verkauf­szahlen sind okay, entspann dich.

Oder man fragt sich, ob es in Ordnung ist, wenn man eine Berührung zurückweist?

Stell dir eine Gemein­schaft von Men­schen vor, die diese Acht­samkeit sich wieder zurücker­obern.  Wo es Orte gibt, an denen das Bedürf­nis nach Berührung behut­sam und bewusst berück­sichtigt wird.  Kinder wer­den nicht geschla­gen, son­dern erhal­ten sichere und liebevolle Berührun­gen, die an ihre eige­nen Wün­sche und Bedürfnisse angepasst sind. Auch Erwach­sene, die an der Wunde der Nichtliebe lei­den, wer­den durch fein­füh­lige Berührun­gen unter­stützt, um so die fehlen­den Teile der Bindung aus der Kind­heit auszu­gle­ichen. Das ist ein schön­er Traum und manche Gemein­schaften real­isieren ihn.

Wir allein haben die Fähigkeit Verän­derung her­beizuführen. Und auch wenn eine Berührung nicht das ganze Leben eines Men­schen heilen kann, so kann doch das Selb­st­bild eines Men­schen durch eine Hand­lung der Fre­undlichkeit erschüt­tert werden.

Berührung die aus dem Herzen kommt, heilt. Immer.

Eine echte kör­per­liche, absicht­slose, nicht wol­lende, eine gebende Berührung, eine wahre Berührung – ist das Ende eines Weges. Der Zeit­punkt, wo ein Men­sch einem anderen eine Berührung schenkt und man offen ist, diese zu emp­fan­gen – entste­ht tiefes Ver­ste­hen und Heilung.

Wie kann man mit­teilen, wie man berührt wer­den möchte? Zu san­ft, zu hart, es kratzt, es kitzelt, …es darf und muss okay sein, mittzuteilen was du brauchst und möchtest.

Der beste Weg ist immer sich selb­st zu berühren. Berühre dich und erfahre, welche Stellen an dein­er Haut sich wie anfühlen. Fühlt sich die Haut auf deinem Arm immer gle­ich an? Bist du immer gle­ich empfind­lich jeden Tag? Gibt es Tage, wo du eine andere Art der Berührung möcht­est? Nicht nur Frauen haben einen Zyk­lus, auch Männer.

Hier sind 10 Merkmale, wie man Berührung und Nähe bestens vermeiden kann:
  1. Esse, klei­de und bewege dich in ein­er Weise, die bewirkt, dass du dich hart, stark, & unver­wund­bar fühlst. Lebe so, wie du dein­er Mei­n­ung nach sein soll­test, aber nicht so wie du bist. 
  2. Über­ar­beite dich und stress´ dich so viel du kannst. Geh in Kon­takt mit einem Part­ner, der auch eine Arbeit hat, die ihn/sie stresst. Sei viel zu beschäftigt, um Zeit für den anderen zu haben. Sei so beschäftigt, dass du auch keine Zeit für dich selb­st hast und damit nicht spüren kannst, wie es dir geht. 
  3. Manip­uliere: Im Beruf, in der Part­ner­schaft & im Kon­takt mit dein­er Fam­i­lie. Warum? Damit du immer die Ober­hand behältst und gewinnst. Vielle­icht arbeitest du in einem Bere­ich der anderen Men­schen direkt oder indi­rekt Schaden zufügt: zB. Alkohol‑, Tabakin­dus­trie, Mil­itär etc. Werde damit noch unempfind­lich­er gegenüber der Tiefe men­schlich­er Bedürfnisse und Empfindsamkeit. 
  4. Keine kör­per­liche Bewe­gung, frische Luft oder richtig leck­eres Essen. Mach das dein Kör­p­er sich schwach, giftig und unwürdig fühlt. Und damit kein­er Berührung würdig. 
  5. Umgib dich mit ober­fläch­lichen Men­schen, die sich auch nicht spüren und für die das wichtig­ste ein schnelles Auto oder die Zahlen am Bankkon­to sind. Höfliche Arro­ganz und lieblos­er Umgang ist toll. Oder vielle­icht mei­dest du gle­ich ganz jede Art von men­schlichem Umgang. 
  6. Du hast Kinder? Hier hab ich etwas Tolles: Miete jedes Woch­enende Babysit­ter und Nan­nys. Kauf ihnen ganz viel Gam­ing-Zeug und lass sie ewig vor dem Fernse­her sitzen. 
  7. Nimm dir einen Hund oder eine Katze und über­trage all deine Bedürfnisse nach Nähe, Liebe und Zunei­gung auf das Tier. Ver­mei­de dabei den Men­schen, die du lieb­st, Aufmerk­samkeit zu geben. 
  8. Leugne Gefüh­le, wie Angst vor Nähe, Schmerz oder Unsicher­heit. Das hat den Vorteil, dass du auch bei anderen Schmerz nicht mehr wahrn­immst und falls du es doch mal wahrn­immst sage: So ist das Leben. 
  9. Mei­de enge Beziehun­gen zum gle­ichen Geschlecht, da dieses von dir ver­lan­gen kön­nten, authen­tisch zu sein. 
  10. Der let­zte Punkt ist superk­lasse: In kör­per­lich­er Hin­sicht geht’s ab sofort nur noch um deine Bedürfnisse. Alles, was du tust oder sagst, tust oder sagst du nur, um diese erfüllt zu bekom­men. So ver­mei­dest du deinem Part­ner Aufmerk­samkeit geben zu müssen. Selb­st­be­zo­gen und selb­st­süchtig sein heißt die Devise.

Diese 10 Punk­te beschreiben die west­liche Gesellschaft. In den USA zum Beispiel, gibt es keinen bezahlten Mut­ter­schutz, außer im Sil­i­con Val­ley. Glück­licher­weise ver­lieben sich die Men­schen noch und das Leben bietet auch viel mehr als diese 10 Punk­te. Wir Men­schen sind hier auf der Erde, weil wir eine gemein­same Auf­gabe haben und wir brauchen einan­der. Den­noch haben wir in unser­er west­lichen Welt einen Ver­trag unter­schrieben, der uns nie geben wird, was wir wirk­lich brauchen wür­den. Indi­vid­u­al­is­tis­ches und kap­i­tal­is­tis­ches Streben nimmt uns Lebendigkeit und Vitalität.

Meine Frage ist: Könnte es anders sein?

Natür­lich!! Und ich wün­sche mir nichts mehr, als dass wir ver­schobenes, wieder zurechtrück­en. Das wir gut für uns Sorge tra­gen, uns gesund ernähren, genug bewe­gen und in einem Umfeld arbeit­en, dass uns nicht über­fordert. Wir nutzen die Medi­en, TV, PC in angemessen­er Weise, sodass wir genug Zeit und Raum für die Gesellschaft von net­ten Men­schen haben. Haustiere brin­gen uns Freude ins Leben der Men­schen und wer­den nicht mehr für uner­füllte Bedürfnisse benutzt. Wir nutzen die Zeit, um nachzu­denken, uns zu entspan­nen und spir­ituell weit­er zu entwick­eln. Und Erwach­sene heilen ihre inneren Wun­den, um sie nicht an ihre Kinder weit­er zu geben.

 

Denn ein Kind, dass das Gefühl hat, dass für es gesorgt ist, wird für andere sorgen.

 

Berührung ist der Anfang.

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